NSU-Akten

In den letzten Tagen ist sehr viel zu der Debatte im Landtag über die Petition zur Freigabe der sog. NSU-Akten gesagt worden. Ich habe mich hier bisher nicht dazu geäußert, weil ich ehrlich gesagt sehr damit beschäftigt war Einzelgespräche zu führen, in denen ich versucht habe zu erklären, was genau im Landtag beschlossen wurde. Mich haben in den letzten Tagen zusätzlich mehrere Mails erreicht, auf die ich auch noch nicht alle antworten konnte, was ich natürlich aber noch machen werde.
Zunächst zu den Akten an sich: Der Begriff NSU-Akten wird meistens als Synonym für zwei Aktenprüfungsberichte des Landesamtes für Verfassungsschutz aus den Jahren 2012 und 2013 genutzt. Der damalige Innenminister Boris Rhein hatte sie nach der Selbstenttarnung des NSU in Auftrag gegeben. Es sind zwei Berichte, da Rhein der erste Bericht nicht ausführlich genug war. Diese wurden zunächst für 120 Jahre eingestuft, nach der Empfehlung der Expertenkommission wurde das auf 30 Jahre herabgesenkt. Diese Frist bedeutet, dass die Akten nach Ablauf in den Besitz des Landesarchivs übergehen und dort für Wissenschaftler*innen und Journalist*innen einsehbar sind.
Die Aktenprüfung sollte mögliche Hinweise zum NSU, dessen Umfeld oder dessen Straftraten überprüfen. Heraus kam, dass es keine direkten Bezüge, aber Hinweise auf gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen mit Mitgliedern der nordhessischen Szene sowie den Besitz von Waffen und Sprengstoff gab. Desweiteren wird dort die Arbeit des LfV zu der Zeit kritisiert. Eine chaotische Aktenführung, vor allem im Bereich der Beschaffung, soll dazu geführt haben, dass möglichen Hinweisen nicht nachgegangen wurde. Die Arbeitsweise des LfV zu der Zeit ist nicht zu beschönigen. All diese Punkte und viele weitere werden im Abschlussbericht des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses festgehalten und entsprechend bewertet. Aufgrund dieses Berichts habe ich auch den Verfassungsschutz kritisiert, denn die Kritikpunkte werden hier sehr deutlich. Dieser Abschlussbericht ist öffentlich zugänglich und ich kann nur allen raten, sich die Zeit zu nehmen um ihn sich anzuschauen, denn er ist sehr aufschlussreich.
Zur Petition: Die Petition, die im Landtag eingereicht wurde, fordert eine vollständige Öffnung der Akten. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Die Geschäftsordnung des Landtags würde in solchen Fällen normalerweise eine Empfehlung nach Sach- und Rechtslage vorsehen. Da wir aber das Grundbedürfnis nach Information sehr gut nachvollziehen können, haben wir stattdessen empfohlen, dass die Petition als Material an die Landesregierung gehen soll. Das bedeutet, dass der Landtag deutlich macht, dass er das Anliegen der Petition grundsätzlich teilt und die Landesregierung nun die Aufgabe hat, zu prüfen, wie dem nachgegangen werden kann. Ob das eine teilweise Offenlage sein kann, muss ebenfalls geprüft werden. Wir haben also nicht gegen eine Öffnung gestimmt.
Eine Anmerkung besonders wichtig: In diese Akten wird die Hoffnung hineinprojeziert, dass sie die Antwort auf alle offenen Fragen geben können. Das ist leider nicht so. Wie bereits erwähnt, hat der NSU-Untersuchungsausschuss sich ausführlich beschäftigt, die parlamentarische Kontrollkommission Verfassungsschutz hat jederzeit die Möglichkeit die Akten zu prüfen, dem Generalbundesanwalt lagen sie für seine Ermittlungen gegen Stephan E. und Markus H. vor und auch der jetzige Untersuchungsausschuss kann sie einsehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwer etwas übersehen haben sollte, das zur Aufklärung beiträgt, ist äußerst gering.
Offene Fragen, wie zum Beispiel eine mögliche Unterstützung des NSU oder gar eine Beteiligung von Stephan E. und Markus H. an dem Mord an Halit Yozgat sowie deren Beziehung zu Temme, sind Gegenstand des jetzigen Untersuchungsausschusses. Das heißt, wir sind mit der Aufklärung noch lange nicht am Ende. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass mehr Aufklärung gefordert wird. Das will ich auch. Als Mitglied des Untersuchungsausschusses versuche ich meinen Teil dazu beizutragen.
Zum Schluss noch eine Bemerkung: Ich stehe jederzeit für inhaltliche Fragen und Hinweise zur Verfügung und werde diesen mit aller Sorgfalt nachgehen. Gerne können wir uns auch über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von V-Leuten oder von Nachrichtendiensten im Allgemeinen unterhalten. Meine Haltung war immer, dass sich staatliche Institutionen, die mit so umfassenden Rechten, wie z.B. Grundrechtseinschränkungen, ausgestattet sind, einer ständigen kritischen Betrachtung unterziehen müssen. An dieser Haltung hat sich nach wie vor nichts geändert.

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